An langen Winterabenden gingen die Hunsrücker in die „Mai“. Männer sammelten sich alsdann in Stuben um Neuigkeiten zu erfahren, sich über Vieh und Fruchtpreise zu unterhalten und gemütlich ein Pfeifchen zu rauchen. Die Frauen und Mädchen trafen sich regelmäßig mit ihren Spinnrädern, in späterer Zeit auch mit dem Strickstrumpf. Bei der Arbeit wurden lustige Geschichten erzählt und die heranwachsenden Jünglinge, die sich gern in Worten hänselten, waren stets im wachsamen Auge der jeweiligen Mutter, so dass jegliche Ausschreitung im Keim erstickt wurde.
Auch der Hannes war regelmäßig bei der „Ma-i“ dabei. Seine Eltern waren mittlerweile alt und warteten bereits auf eine Schwiegertochter. Hannes hat ein Auge auf die hübsche Ammi geworfen. Je öfter er sie sieht, desto besser gefällt sie ihm. Keines der anwesenden Mädchen kann das Spinnrad schneller drehen als Ammi. Auch im Hause und auf dem Feld geht ihr die Arbeit gut von der Hand. Darauf wurde in der damaligen Zeit großen Wert gelegt. Sie ist auch nicht auf den Mund gefallen, also ein „resolut Fraamensch“. Auch Ammi hat Augen für den stattlichen Kerl, der keiner Arbeit aus dem Weg geht und der als echter Hunsrücker auch keinen Taler in einen Groschen umtauscht. Der Winter geht herum und es naht der Sommer. Am letzten Apriltag sucht Hannes sich im Wald eine schöne Birke. Nach zwölf Uhr in der Nacht trägt Hannes diese zu Ammi und stellt sie unter ihrer Kammerfenster auf. Kurz zuvor legt er einen großen Haufen gehäckseltes Stroh unter das Fenster der armen Gret, die vergebens ein Auge auf ihn geworfen hatte. So war nun die Front geklärt. Er verharrt die ganze Nacht im Versteck und passt auf, dass kein andrer Bursche die Birke entfernt. Gret fegt am frühen Morgen unter Schmach ihren Strohhaufen weg und die hübsche Ammi erblickt durch ihr geöffnetes Kammerfenster die kleine Birke, lächelt zum Hof hinaus in guter Ahnung von wem sie stammt. Nun endlich kann Hannes sein Versteck verlassen, beglückt geht er nach Hause, denn sein „Maibaam“ wurde ja von der Richtigen gesehen. Den ganzen Sommer über sahen die beiden sich auf allen Tanzmusiken. Hannes tanzte fast ausschließlich nur mit seiner angebetenen Ammi.
Beide sind sich einig – im Winter wird geheiratet. Silvester schießt er für seine Maid das Neujahr an. Dabei sagt er einen so langen Spruch auf, wie kein anderer Bursche es zustande bringt. Auch mit Pulver spart er nicht, hat er sich doch eigens zu diesem Zwecke einen neuen doppelten Sackpuffer (Pistole mit zwei Läufen) gekauft. Die Eltern der beiden haben nichts gegen die Hochzeit einzuwenden, so soll denn Anfang Februar die Vermählung sein. Schon gleich nach „Kinnigsdach“ – Fest der hl. drei Könige – nimmt er den „Freiersmann“ mit und bittet durch diesen um die Hand der schönen Ammi.
Der „Freiersmann“ musste ein angesehener, ehrenwerter Mann sein und ohne ihn wäre die Einwilligung der Eltern nicht zu bekommen, Die Form musste stets gewahrt werden. Der nächste Schritt war der Besuch bei den zukünftigen Schwiegereltern der Braut. Am kommenden Sonntage würden sie zur „Schau“ kommen. Das Haus von Hannes wurde blitzblank geputzt. Er selbst hat sich recht fein gemacht mit einem schwarzseidenen Halstuch, unter dem Kinn sorgfältig geknotet. Seine schöne Pfeife hat er angezündet. „Zigarrenrauchen ist für einen rechten Bauern nichts, nur Verschwender plotzen sie“.
Nach aufgeregtem Warten kommen sie endlich, Ammi und ihre Eltern. Mit ernster Miene und würdevoll, wie es eine solche Gelegenheit fordert, schreiten die drei ins Haus, wo Kaffee und Kuchen in der guten Stube auf dem Tisch bereit stehen. Es wurde das beste Porzellan gedeckt, die „ Henkelches-Tassen“ sogar mit Untertassen. Zu Tisch wird nur wenig gesprochen. Später gehen beide Väter zum Stall und begutachten das wohlgenährte Vieh, Hannes hat es säuberlich gestriegelt, sowie der Stall frisch geputzt ist. Das Vieh ist ordentlich eingestreut, es riecht nach frischem Stroh. Die beiden Männer kommen immer mehr ins Gespräch und immer mehr heitern sich ihre Blicke auf. Aus dem Stalle geht es in die wohlgefüllte Scheune. Wohlgefällig betrachtet der Brautvater die Düngestätte. In dem Miste befindet sich kein Laub oder sogar Heide, sondern nur Stroh ist zu sehen. So weiß er jetzt ganz genau, dies ist eine vorbildliche Ackerwirtschaft.
Das war wichtiger, als die Größe des Misthaufens zu bemessen. Zum Schluss wird der Speicher noch bestiegen. Dort lagert das gereinigte Getreide, was zu großen Haufen aufgeschüttet ist. Natürlich wusste Ammi’s Vater wie der Hof von Hannes aufgestellt war. Jeder Hunsrücker Bauer wusste vom anderen wieviel „Därm“ der andere im Leib hat, aber die „Schau“ musste gehalten werden. Inzwischen haben die Mütter Küche, Keller und alle Zimmer des Hauses durchgangen. Besonders lange hielten sie sich an den Leinen gefüllten Kisten auf. Anfang des 20. Jahrhunderts besaßen die Hunsrücker Bauernhäusern ein Reichtum an selbstgewebtem reinweißem Leinen in ganzen Rollen. Auch die Truhen mit verarbeitetem Leinen werden gemustert. Ganz stolz zeigt die Mutter des zukünftigen Bräutigams den Reichtum an Bettwäsche, Tischdecken und Handtüchern. Auch selbstgenähte Hemden aus kräftigem Tuche gehört zum Inventar. Sie rühmt sich stolz mit den Worten: „Ich brauche im Jahr nur einmal zu waschen und habe dann die schönste Bleich im ganzen Dorf.“ Nach der Brautschau verabschiedet man sich und spricht sich am nächsten Tag. Die Schwiegereltern waren sehr zufrieden, man verspricht das Jawort. Hannes und Ammi gehen am folgenden Samstag zum Pfarrer und zum Bürgermeister um sich anzumelden. An diesem Abend ist „Hillich“. Freunde und Bekannte werden eingeladen, die Tische sind mit Brot, Butter, Käse, Bier oder Wein reichlich gedeckt. Als alle beim Essen sind ertönt draußen Schuß auf Schuß. Das „Jungvolk“ hat sich auf dem hof versammelt und aus kräftigen Kehlen ertönt das „Ehestandslied“. Ammi fällt es jetzt schwer ihre Tränen zurückzuhalten, beginnt doch jetzt für sie der Ernst des Lebens. Nach dem Lied ertönen nochmal Schüsse aus den „Sackpuffern“. Nachdem die Brautleute mit sinnigen Sprüchlein beglückwünscht wurden, nehmen auch die Jünglinge und Jungfrauen am Schmause teil. Mit Gesang und Tänzchen wird gefeiert bis zum Morgengrauen. Nach der Hillich wird die Hochzeit vorbereitet. Der bürgerlichen Eingehung der Ehe folgt sogleich die kirchliche Trauung.